Niños Santos

Ease my troubled mind

Label/Vertrieb über: Eigenvertrieb / Veröffentlichung: 2004 bei der band direkt zu kaufen

(olihaas) - Fußball und Reggae haben ja so viel gemeinsam! Nicht nur die gleichen Sponsoren, sondern vor allem auch erschreckend ähnliche Mechanismen der Erfolgsbewertung: Das Schielen nach Jamaica und damit der Champions League des genres ist bekennender usus aller Aktiven. Das hat allerdings massive Folgen auf den engagierten Nachwuchs im eigenen Lande: Innovation und Progressivität wird im Keim erstickt – nur die, „die so klingen wie“ steigen in die 1.Liga auf. Lokale Interpreten üben sich bei Neuveröffentlichungen im Namedropping wie spanische Spitzenclubs in der Mannschaftsaufstellung. Nur wo Buju, Anthony, Tony und Barrington drauf steht, ist auch „Galaktisches“ drin. Das Problem ist, dass man als Mittelstandsdeutscher die musikalische Ballbeherrschung nicht in Trechntown, sondern in gut situierten Kleinkäffern erfahren hat. Da hilft also nur eins: Glaubwürdigkeit verpflichten! Leider entwickelt sich dadurch ein verstärkt identitätsloses Gesicht der Aktiven. Bei einem Spitzenspiel zwischen Jamaica und Deutschland würden eben all die großen Namen nunmal auf der jamaikanischen Bank Platz nehmen und man hätte wieder mal das kreative Nachsehen.

Warum so lange ausgeholt? Weil es aus Hessen’s Landen ein noch junges Pflänzchen in der Musiklandschaft gibt, dass trotz Verehrung jamaikanischer Folksmusik auf eine eigene Identität nicht verzichten will. „Niños Santos” heisst der flotte Sechser aus Darmstadt, der mit „Ease my troubled mind“ gerade die zweite Veröffentlichung in Eigenregie vorgelegt hat. Gleich mit „burning me“ zeigt die Kapelle wo es lang gehen soll. Süße Harmoniegesänge verbunden mit lockerer uptempo Rythmik grooven entspannt vor sich her, bevor einem nach Ablauf der regulären Spielzeit die Gitarrenkeule vor den Latz geknallt wird. Ja, Styleheadz wendet Euch nur angewidert ab. Überhaupt sind die „heiligen Jungs“ so gar nicht schubladierbar, was ihnen die Suche nach einem willigen Industriepartner auch entsprechend erschweren wird. Neben unserer allerliebsten Muse, findet sich auf dem Longplayer auch Liedgut der alternativ-rockigen Art. Gesungen wird in (Schul)englisch und deutsch, wobei sich das timbre des Sängers Christian angenehm in die Hörmuschel bohrt. Man hört es: Er kann kein Patois und lässt es deshalb auch. Danke! Langweillig wird einem beim Hören des Albums nicht, denn die Arrangements kommen eigenwillig daher. Die songs stehen für die individuellen Hörgewohnheiten der Kombo, kommen aber aus einem Guss. Stilistisch wundert man sich zwar über gelegentliche Keyboardsounds und auch das ein oder andere hektische Gitarrengefrickel hätte man sich ruhig sparen können. Trotzdem: Niños Santos versuchen nicht zu kopieren, denn das würde in die Hose gehen. Stattdessen legen sie ein frisches Album vor und dabei scheint Ihnen die Sonne aus jeder Rille. Big up, Hessenland!

Weitere Informationen:

Getextet im September 2004

review (c) Oliver Haas für reggaenode.de

Die Seite zur Musik: www.reggaenode.de/music Copyright © dieses Textes liegt bei Reggaenode.de! Bitte das Impressum beachten!