(peterB) - Wenn man von den wirklich großen und prägnantesten Artists der Reggae Szene spricht, dann fällt einem natürlich zunächst der große Bob M. ein, aber im gleichen Atemzug muss man Peter Tosh direkt hinterherschieben. War Bob Marley doch eher der äußerlich "handzahme" Geselle so war der ehemalige Mit-Wailer Tosh doch eher unbequem. Unbequem in vielerlei Hinsicht, wie uns ein ausgesprochen gelungener Dokumentarfilm über Peter Tosh eindrucksvoll vor Augen führt.
"Stepping Razor" heißt die DVD, die kürzlich groß in Deutschland wieder auf den Markt gebracht wurde. Erstmals mit deutschen Untertiteln und das ist bekanntlich bei jamaikanischen O-Tönen reichlich hilfreich, vor Allem dann, wenn der Interviewte Peter Tosh heißt. Denn Tosh wird von Nicholas Campbell in diesem Film so dargestellt, wie er eben nicht für jeden bekannt war: Ein Mensch, der auf seine sehr eigenwillige Art sein Leben in einer Welt zwischen Geistern und Realität der Straße verbrachte. Toshs ausgeprägtes und sehr direktes Mitteilungsbedürftnis sowohl in Bezug auf politisch Brandreden als auch seine immer wieder neu anregenden Wortspiele, die die englische Sprache so gerne persiflierte, sind über den ganzen Film präsent. Aber noch heftiger und schonungsloser wird sein offensichtlicher Wahnsinn - oder nennen wir es freundlich seine "Verwirrtheit" - dargestellt, Tosh's O-Töne und auch die vielen Statements von Freunden, Verwandten und Künstlern zeigen, was ihn umtrieb, und das war häufig genug wohl nicht mehr greifbar und real.
Basis des Films sind die persönlichen Aufzeichnungen, die Tosh auf Band gesprochen hat, die so genannten "X-Tapes" liefern somit auch die meisten O-Töne. Dazu noch zahlreiche viel zu kurze Konzertaufnahmen und eben viele Interviews bilden ein Gesamtüberblick oder sogar Einblick in den Mann. Die Doku ist aufgebaut auch um den plötzlichen gewaltsammen Tod Toshs, die vielen Fragestellungen, die sich um dieses brutale Ereignis aufbauen, bleiben natürlich auch hier ungeklärt, aber irgendwie wäre eine eindeutige Antwort auch wirklich nicht passend.
Ein Film voller Psychosen, düsterer Szenen. Auf den ersten Blick hört es sich nicht nach "Island in the Sun" an. Nein, aber auch diese Realität der Person Peter Tosh gehört aufgezeigt und dazu deutlich angemerkt, dass Psychosen eben in Jamaika eher an der Tagesordnung sind. Ganja in zu frühen Jahren und in zu hohen Dosen hinterlässt eben doch gewaltig seine Spuren.
Hervorragender Film und ein muss für jeden Reggaehead, der auch bereit ist, ein paar dunkle Seiten der Musik zu hören und zu akzeptieren.
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Getextet im März 2006
review (c) Peter Beckhaus für reggaenode.de
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